Stellungnahme der VVN-BdA zum Denkmal für ermordete Antifaschisten und deutsche Soldaten bei Engelsfelde

22. Juli 2020

Sehr geehrter Bürgermeister Herr Hemberger,
sehr geehrte Mitglieder der Gemeindevertretung Dallgow-Döberitz,
sehr geehrte Mitglieder des Ortsbeirates Seeburg,

wir wenden uns heute an Sie, um auf den Pflege- und Erhaltungszustand der „Gemeinschaftsgrabstätte für ermordete Antifaschisten und deutsche Soldaten“ im Wald nahe der Siedlung Engelsfelde hinzuweisen.

Die Grabanlage ist unter der Nr. 09150511 in die Denkmalliste eingetragen. Dort sind ca. 200 Menschen begraben, die in den letzten Kriegsmonaten nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 einer immer rabiater werdenden Justiz oder den Militär- und Standgerichten zum Opfer fielen. Es handelt sich mehrheitlich um Militärangehörige, die sich dem Fortgang des Kriegs verweigerten oder aus sehr unterschiedlichen Gründen nicht in das sozialdarwinistisch geprägte Menschenbild des NS-Regimes passten.

Der Landesvorstand der VVN-BdA Brandenburg bittet Sie darum, hier zeitnah für Veränderungen zu sorgen und ein würdiges Gedenken an eine Opfergruppe zu gewährleisten, die weder in der DDR noch in der alten BRD eine angemessene Würdigung ihres erlittenen Leides erfahren hat und erst viele Jahre nach der Wiedervereinigung die Aufhebung der gegen sie verhängten NS-Urteile erreichen konnte.

Die Erinnerung an diese Menschen verblasst gerade. Der Ort der Grabanlage in Engelsfelde ist durch seine Lage kaum sichtbar und nur schwer auffindbar.

Wir unterstützen ausdrücklich den Antrag 071/2020 der Fraktion Bündnis 90/Grüne „Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit lebendig halten: Gedenkort für ermordete Widerstandskämpfer in Seeburg-Engelsfelde sichtbar machen“ und bitten um Einladung und Rederecht, wenn der Antrag im Ortsbeirat und in der Gemeindevertretung beraten wird.

Unsere Vereinigung ist ein Zusammenschluss von Verfolgten des NS-Regimes, ihren Angehörigen und jungen Antifaschistinnen und Antifaschisten. Für uns war und ist das Gedenken an die Opfer der NS-Militärjustiz sehr wichtig. Bis zu seinem Tod hatten wir eine sehr enge Beziehung zu Ludwig Baumann, dessen Vermächtnis wir uns verpflichtet fühlen.

Für uns ist es sehr wichtig, dass Besucherinnen zur Gedenkstätte in Engelsfelde finden können und dass erfahrbar wird, warum dieser Gedenkort dort steht. Dafür müssen aus unserer Sicht verschiedene Maßnahmen umgesetzt werden:

Auffindbarkeit der Gedenkstätte

Wir haben inzwischen mehrfach Anfragen nach dem genauen Standort des Gedenkortes erhalten. Einige Interessierte hatten sogar vor Ort vergebens nach der Grabanlage gesucht. Dies haben wir zum Anlass genommen, selbst eine Ortsbegehung durchzuführen. Im Ergebnis schlagen wir Ihnen vor, an folgenden Standorten Wegweiser zum Denkmal anzubringen:

Alte Dorfstraße/Potsdamer Chaussee, Alte Dorfstraße/Dallgower Chaussee, Potsdamer Chaussee/Engelsfelde und Alte Dorfstraße/Feldweg zur Gedenkstätte.

Diese Ausschilderung würde das Auffinden für Besucherinnen aus allen Richtungen ermöglichen und die Gedenkstätte sichtbar machen.

Errichtung einer Informationstafel an der Gedenkstätte

Derzeit sind leider nur ca. 80 der mehr als 200 in Engelsfelde begrabenen Personen namentlich bekannt. Die meisten Erschießungen wurden ein paar Kilometer entfernt in Berlin vollstreckt. Für viele Menschen erschließt sich der Grund der Grabanlage nicht. Um dies zu ändern, sollte an der Gedenkstätte eine wetterfeste Informationstafel aufgestellt werden, die über die dort begrabenen Opfer des NS-Regimes informiert und an sie erinnert. Hier wäre aus unserer Sicht sehr sinnvoll, mit der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten in einen Austausch zu gehen, wie diese Informationen wetterfest sichtbar gemacht werden können. Auch wir als VVN-BdA erklären uns gern bereit, an der Ausarbeitung der Tafel mitzuwirken.

Erforschung weiterer Opfer

Für sehr wichtig halten wir auch eine Erforschung weiterer Opfer. 75 Jahre nach Kriegsende ist es an der Zeit, sich auf die Suche nach weiteren Namen der begrabenen Personen zu machen und deren Lebensgeschichten zu recherchieren. Eine Unterstützung durch öffentliche Archive und eine finanzielle Förderung durch die Bundesländer Brandenburg und Berlin wäre dafür sehr hilfreich. Gerade in einer Zeit, in der die Shoa und andere Verbrechen der NS-Diktatur auch von Parteien im deutschen Bundestag und in den Landtagen aller Bundesländer verharmlost werden, ist es unser aller Aufgabe, ein würdevolles Gedenken an die Opfer des NS-Systems aufrecht zu erhalten. Dabei kommt der Pflege der authentischen Erinnerungsorte ein hoher Stellenwert zu.

Der Landesvorstand der VVN-BdA bietet der Gemeinde Dallgow-Döberitz dabei gern seine Unterstützung an.

Für eine zeitnahe Antwort wären wir Ihnen verbunden.

Mit freundlichen Grüßen
für den Landesvorstand

Lutz Boede