Veranstaltung zum Todesmarsch aus Lieberose

15. Februar 2019

Am vergangenen Samstag, den 09.02.2019, fand auf dem Friedhof in Potsdam-Drewitz die Gedenkveranstaltung zum Todesmarsch aus Lieberose statt. Dieser Todesmarsch startete im Außenlager Lieberose des Konzentrationslager Sachsenhausen am 02.02.1945 und erreichte Potsdam-Drewitz am 07.02 bzw. Potsdam am 08.02.1945. Auf dem Friedhof in Drewitz gibt es seit 1946 ein Gedenkstein aus Sandstein, der mit dem Häftlingswinkel, einer Flammenschale sowie der Eingravierung „KZ“ verziert ist. Er trägt die Inschrift: „DEN TOTEN DIE EHRE – DEN LEBENDEN DIE PFLICHT“. In acht Gräbern sind hier mindestens siebzehn unbekannte KZ-Häftlinge des Todesmarsches bestattet. Redebeiträge gab es aus Lieberose von Peter Kotzan, von Christian Raschke aus der VVN-BdA Potsdam und von Isabelle Vandré, Partei Die Linke. Berichte von der Gedenkveranstaltung gab es anschließend in der lokalen Presse und im lokalen Fernsehen.

 

Rede­beitrag des VVN-BdA Pots­dam

Danke für euer Kom­men und sol­i­darische sowie antifaschis­tis­che Grüße von der VVN-BdA Pots­dam. Wir haben uns hier in Pots­dam-Drewitz ver­sam­melt, um an den Todes­marsch der fast 2000 aus dem Konzen­tra­tionslager-Außen­lager Lieberose nach Nor­den in Rich­tung Sach­sen­hausen getriebe­nen Häftlinge zu erin­nern. In Lieberose fand Zwangsar­beit und Ver­nich­tung durch schwere Tätigkeit­en im Rah­men des dor­ti­gen SS-Trup­penübungsplatzes „Kur­mark“ statt. Bere­its Ende Jan­u­ar 1945 gab es den Befehl zur Auflö­sung und Besei­t­i­gung des Lagers und den Abtrans­port von rund 600 jun­gen und kranken Häftlin­gen mit dem Zug nach Sach­sen­hausen, wo sie in der Sta­tion Z ermordet wur­den.

Am 02. Feb­ru­ar 1945 begann der Todes­marsch der knapp 2000 Häftlinge, die zurück­ge­bliebe­nen 1000 Men­schen, also kranke und marschun­fähige, erschossen die SS-Wach­mannschaften und verschar­rten sie anschließend in Gruben. Der Todes­marsch aus Lieberose führte über Goy­atz nach Teupitz und Zossen, weit­er nach Lud­wigs­felde und schließlich am 07. Feb­ru­ar nach Drewitz. Hier über­nachteten sie in ein­er Sche­une auf einem Gut­shof. Am 08. Feb­ru­ar zogen die Häftlinge weit­er durch Pots­dam, mit der Über­nach­tung in ein­er Rei­thalle ein­er Kaserne, bis es nach Falkensee und von wo es hier mit LKW oder S-Bahn zum Zielort nach Sach­sen­hausen weit­erg­ing.

Damit zog dieser Todes­marsch nicht ein­fach nur durch die Stadt Pots­dam, son­dern durch einen Großteil des heuti­gen Land Bran­den­burgs und ver­di­ent deswe­gen unsere Erin­nerung und unser Gedenken. Doch er war nur ein­er von vie­len Todesmärschen, die seit Ende 1944 vor allem im Kerngebi­et Deutsch­lands durchge­führt wur­den. Es waren nicht viele, die die Todesmärsche überlebten. Groß war die Zahl der­er, die tot auf dem Weg zurück­blieben. Hunger, Entkräf­tung, Kälte und Frost und nicht zulet­zt die Qualen der sie beglei­t­en­den SS-Mannschaften und ander­er Trup­pen, aber auch Gehil­fen oder Zivil­bevölkerung, waren ihre Begleit­er.

Auch hier in Drewitz gab es kurz vor dem Weit­er­marsch nach Pots­dam die Aus­sortierung von sogenan­nten Marschun­fähi­gen. Die Häftlinge mussten auf Befehl in ein großes Grab steigen und darin niederknien. Es ist kaum vorstell­bar, welche Gefüh­le die Häftlinge in diesem Moment erlebten. Wer nicht mit marschieren kon­nte, den erschoss unter anderem der SS-Rot­ten­führer Erich Schemel.

Die Todesmärsche sind Ver­brechen, die direkt im Sicht­feld der Bevölkerung stat­tfan­den. Und wie es in der Ein­ladung zur heuti­gen Gedenkver­anstal­tung ste­ht, waren die zahlre­ichen Todesmärsche der lei­den­den Häftlinge, die sich durch Dör­fer, aber auch durch Städte wie Pots­dam quäl­ten, mal­trätiert von ihren Peinigern, aber auch geduldet von der Bevölkerung, unüberse­hbar und der let­zte Akt des nation­al­sozial­is­tis­chen Ter­ror­regimes und sein­er bru­tal­en, anti­semi­tis­chen und ras­sis­tis­chen Ideologie.

Und auf einen Punkt will ich noch kurz einge­hen. Lieberose war nicht auss­chließlich Stan­dort eines Außen­lagers des Konzen­tra­tionslagers in Sach­sen­hausen, son­dern in den let­zten Jahren der nationalsozial­is­tis­chen Herrschaft wurde daraus das größte Konzen­tra­tionslager im Gebi­et des Deutschen Reichs, das in die Ver­nich­tung der europäis­chen Juden einge­bun­den war. Während vom Herb­st 1943 bis zum Som­mer 1944 vor­wiegend poli­tis­che Häftlinge aus Deutsch­land, Frankre­ich, Nor­we­gen, Polen und der Sow­je­tu­nion aus den Konzen­tra­tionslagern Sach­sen­hausen und Groß-Rosen nach Lieberose gebracht wur­den, änderte sich die Sit­u­a­tion mit der Ankun­ft eines Trans­portes von ungarischen Juden im Juni 1944 aus Auschwitz. Der Anteil der jüdis­chen Häftlinge in Lieberose erhöhte sich auf bis zu 90% und damit wurde das Lager zu einem Teil der Shoa auf deutschem Boden, also ein Ver­nich­tungslager hier im Land Bran­den­burg.

Been­den möchte ich meinen Rede­beitrag mit dem Gedicht ein­er 16-jähri­gen Schü­lerin und ihren Erfahrun­gen nach dem Besuch des Konzen­tra­tionslagers Sach­sen­hausen, in dem sie die schein­bare Ahnungslosigkeit aller Beteiligten und Nicht-Beteiligten, sowie das Unfass­bare der Ver­nich­tung aber auch gle­ichzeit­ig die Wichtigkeit des heuti­gen Erin­nern und Gedenkens zum Aus­druck bringt:

Ein Baum wird gepflanzt

– die Trauer­wei­de –

Kann nichts fühlen

nichts ver­ste­hen

Doch jedes Blatt

und jed­er Zweig

erzählt ihre Geschichte

 

Ein Baum wird gepflanzt

– die Trauer­wei­de –

Hörte Schreie

sah die Qualen

Und heut

ver­sucht sie

uns zu zeigen

wie hil­f­los

alle waren

Ausschnitt des PNN-Artikel vom Montag, den 11.02.2019 (Autorin: Stefanie Schuster)